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Bericht am 02.01.2006 in den Mittelschwäbischen Nachrichten

Den Jahresausklang einmal ganz eiskalt angehen

Silvesterschwimmen der Krumbacher Wasserwacht im Oberrieder Weiher bei Breitenthal mit Gänsehaut, aber: „Danach friert dich nichts mehr…“

Von unserem Mitarbeiter Rainer Nissen

Breitenthal

Geradezu anmutig scheint der Oberrieder Weiher mit seiner schneebedeckten Eisschicht bei strahlendem Sonnenschein am bisher wohl schönsten Tag dieses Winters in die Landschaft eingebettet zu sein. Gleißend reflektiert die ebene Schneefläche einen Tag vor Silvester das Licht der tief stehenden Mittagssonne. Winterliche Ruhe ausstrahlend lockt das malerische Naherholungsgebiet warm angezogene Spaziergänger an. Unversehens wird die Idylle jedoch durch eine weithin hörbare Kettensäge zerstört.

In der Nordwestecke des Sees, dort wo sich der Kiosk befindet, befreien Krumbacher Wasserwachtler das Wasser von seiner eisigen, etwa zehn Zentimeter starken Decke. Das sind die entscheidenden Vorbereitungen für das traditionelle Silvesterschwimmen der Wasserwachtgruppe. Ohne diesen Einsatz ließe der See bestenfalls ein Schlittschuhlaufen zu.

24 Stunden später finden sich knapp hundert warm angezogene Schaulustige am Weiher ein. Das Wetter hat umgeschlagen. Gegenüber dem Vortag herrschen annähernd Badetemperaturen ­könnte man jedenfalls meinen. Dass das persönliche Temperaturempfinden jedoch nicht unbedingt etwas mit der Realität zu tun haben muss, zeigt sich Minuten später. Während Kinder Schneebälle in das, am Vortag ausgesägte, etwa zehn mal zwanzig Meter große Eisloch werfen und ein Taucher die Badestelle von kleinen Eisschollen befreit, schlüpfen vierzehn Silvesterschwimmer im beheizten Zelt in ihr Badedress Badehose und Badeanzug sowie eine eher originelle als wärmende Bobbelkapp. Und bei hoher Luftfeuchtigkeit beginnt der stete Südwind auch die warm eingepacktem Zuschauer langsam auszukühlen.

Staunende Kinderaugen gibt es zu sehen, als die Schwimmer aus dem Zelt heraus kommen und sich gelassen einen Weg durch die Schaulustigen hindurch zur Badestelle bahnen. Während die erwachsenen Schaulustigen bei dem Gedanken hier und jetzt baden zu gehen schaudern, fragt ein kleines Mädchen seine Mutter: „Wissen die denn nicht, dass das ungesund ist?“ Für sie liegt hier eine gänzlich unpassende Winterbekleidung vor.

Aber richtig groß wird das Staunen, als die Schwimmer unter Anfeuerungsrufen der Zuschauer ohne großes Zögern auch noch ins Wasser gehen. Da entfährt es selbst einer erwachsenen Zuschauerin: „Mir ist es ein Rätsel, wie man das aushalten kann.“ Ihre Nachbarin gibt darauf zu bedenken: „Wenn einer jeden Tag warm duscht, kann das nicht gesund sein.“ Wasserwachtarzt Dr. Max Drexel weist darauf hin, dass man in derartig extreme Situationen nur rein gehen sollte, wenn keine Erkrankungen vorlägen und ergänzt: „Für den Körper ist das Stress pur. So eine akute Kälte hält man nicht lange aus. Adrenalin wird aktiviert und die ganzen Reserven werden mobilisiert, um Wärme zu produzieren.“ Im Zusammenhang mit Saunieren oder Kneippen zeigt Drexel aber auf, dass mit kaltem Wasser regelmäßig und wohl angewendet eine abhärtende Wirkung erzielt werden könne.

Unterdessen scheinen sich die Badenden in ihrem begrenzten Terrain recht wohl zu fühlen. Sie schwimmen ein paar „Bahnen“ vom Ufer bis zur beginnenden Eisschicht und zurück und frotzeln über die Wassertemperatur. Nach rund drei Minuten treibt es die Ersten aus dem Wasser. Mit geröteter Gänsehaut geht es zielstrebig an den applaudierenden Zuschauern vorbei zum wärmenden Zelt.

Einige Schwimmer scheinen nach ihrem eisigen Bad jedoch völlig kälteunempfindlich geworden zu sein. Cool stehen sie nur mit Badehose bekleidet und einem über die Schulter gelegten Handtuch am Ufer und unterhalten sich.

Unter ihnen ist auch Stefan Gut, der technische Leiter der Wasserwacht Ortsgruppe Krumbach: „Wenn du da drinnen warst, dann friert dich nichts mehr“, bemerkt er zur Lufttemperatur. Die Krumbacher Wasserwachtler sind stolz darauf, dass ihre Traditionsveranstaltung, die Georg Uhl Anfang der 80er-Jahre eingeführt hat, „weit und breit das einzige Event dieser Art ohne Neopren“ ist

Auf der Homepage der Wasserwacht gibt es weitere Informationen und bereits eine Einladung zum Silvesterschwimmen 2006: www.wasserwacht-krumbach.de


Beim Silvesterschwimmen einen warmen Kopf behalten.

Hauptsache der Kopf wird warm gehalten eine Devise beim Silvesterschwimmen der Wasserwacht Krumbach im Oberrieder Weiher. Das einzige Silvesterschwimmen im Landkreis lockte nicht nur zahlreiche „Eiswasser-Gehärtete“ an, sondern noch mehr Zuschauer. Die allerdings fror es angesichts der halb-nackten Tatsachen bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt auch unter der wärmenden Winterkleidung. Mehr zu dem nass-kalten Vergnügen auf unserer Sonderseite 27.

Bild: Rainer Nissen


Nico-Alexander Harder